Chemie
Im Sachgebiet Chemie werden im Jahr über 4000 kriminaltechnische Gutachten erstellt. Die einzelnen Aufgabengebiete werden nachfolgend kurz dargestellt.
Die zahlenmäßig meisten Aufträge betreffen die Rauschgiftkriminalität. Hier ist bei Sicherstellungen von geringsten Anhaftungen bis hin zum Kilogrammbereich zunächst das vorliegende Rauschgift (z. B. Cannabisprodukte, Heroin, Kokain, Ecstasy) zu identifizieren. In vielen Fällen schließt sich daran eine quantitative Bestimmung des Wirkstoffgehalts an, da die illegalen Drogen üblicherweise gestreckt sind und das Strafmaß wesentlich von der vorliegenden Menge des reinen Rauschgifts abhängt.
Häufig sind auch aufwändige Materialvergleiche zwischen verschiedenen Sicherstellungen durchzuführen, um etwa eine Händler-Kunden-Beziehung nachzuweisen.
Ein stark steigendes Auftragsvolumen ist in den letzten Jahren bei toxikologischen Untersuchungen von biologischem Material zu verzeichnen. Hier werden insbesondere Blut, Urin und Haare auf das Vorliegen von Rauschgiften oder Arzneimittelwirkstoffen begutachtet. Bei Blutproben kann so etwa die akute Beeinflussung bei Verdacht einer Drogenfahrt im Straßenverkehr nachgewiesen werden. Bei Haarproben kann z. B. zur Bewertung der Schuldfähigkeit eine Drogenkarriere über Monate zurückverfolgt werden.
Chemisch-toxikologische Untersuchungen helfen oft bei der Aufklärung von Vergiftungsfällen wie etwa
- vorsätzlicher Giftbeibringung mittels Speisen und Getränken
- Suiziden
- Erpressungen mit vergifteten Lebensmitteln
- Haushaltsunfällen mit Kindern durch ungenügend gesicherte Reinigungsmittel
Es soll in der Regel beurteilt werden, welches Gift in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt aufgenommen worden ist.
Die Materialidentifizierung und der Materialvergleich von chemischen Stoffen wie Polymeren und Lacken spielt eine wichtige Rolle bei der Aufklärung von Verkehrsunfällen. In Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort können aus winzigsten Lacksplittern, etwa an der Kleidung eines Unfallopfers, häufig Rückschlüsse auf Fahrzeugtyp und Baujahr getroffen werden, so dass eine gezielte Fahndung nach dem flüchtigen Fahrzeug möglich ist.
Bei Einbrüchen oder Sachbeschädigungen können die am Tatort gesicherten Materialspuren mit einem mutmaßlichen Tatwerkzeug verglichen werden und so der Tatnachweis geführt werden.
Im Bereich der Sprengstoffuntersuchungen werden sichergestellte Explosivstoffe, pyrotechnische Gegenstände und andere Sprengkörper (wie z. B. Handgranaten und selbstgefertigte Sprengvorrichtungen) nach Art und Wirkungsweise charakterisiert.
Nach einem Bombenanschlag gilt es, aus den Schmauchrückständen den verwendeten Sprengstoff zu identifizieren, durch Bewertung des vorliegenden Schadensbildes die Menge des eingesetzten Sprengstoffs abzuschätzen und den Tathergang so weit wie möglich zu rekonstruieren.
Aufträge im Umweltsektor beziehen sich beispielsweise auf umweltgefährdende Abfallbeseitigung, Belastungen durch industrielle Produkte oder Verunreinigungen von Boden, Gewässern und Luft. Hier ist eine Bewertung des Delikts unter Berücksichtigung der Art und Menge des Schadstoffs durchzuführen.
In kompliziert gelagerten Fällen, etwa zur Spurensicherung bei Verkehrsunfällen, bei Sprengstoffanschlägen und Betriebsunfällen mit chemischer Ursache sowie zur Untersuchung von illegalen Rauschgiftlabors unterstützen die Sachverständigen die Ermittler auch am Tatort.
Die Bewältigung dieser umfangreichen Aufgabenstellung wird durch vielfältige analytische Arbeiten im chemischen Labor und durch Einsatz modernster Analysemethoden wie Fourier-Transform-Infrarot-, Atomabsorptions-, Ultraviolett- und Massenspektrometrie sowie Gas-, Hochdruckflüssigkeits- und Dünnschichtchromatographie durchgeführt.