06.09.2021, Bayerisches Landeskriminalamt

Physik

Das Aufgabengebiet des Sachgebiets Physik ist thematisch weit gestreut. Zur fachlichen Beurteilung von Geschehenskomplexen werden Kenntnisse und Methoden der Physik, der physikalischen Chemie, der Chemie, der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Kraftfahrzeugtechnik und der Werkstoffphysik eingesetzt.

Bei Gebäude- und Fahrzeugbränden sind die physikalisch-technischen Untersuchungen fast immer vor Ort durchzuführen. Wegen des hohen Zerstörungsgrades ist die Brandursache meist im Eliminationsverfahren (Ausschluss von konkurrierenden Brandursachen) zu bestimmen. Die Tatortarbeit ist durch chemisch-analytische Untersuchungen im Brandanalytik-Labor zu ergänzen.

Raumexplosionen und Zerknalle können ebenfalls nur durch Untersuchungen am meist erheblich zerstörten Objekt geklärt werden. Gasunfälle und Intoxikationen (meist Kohlenmonoxidvergiftungen) machen die Suche nach irregulären Betriebszuständen bei Heizgeräten und abnormen Lüftungsbedingungen nötig. Bei Stromunfällen ist in der elektrischen Anlage der Planungs- oder Anlagenfehler und der Betriebsmangel zu erforschen. Die Betriebsunfälle umfassen ein weites Spektrum an Ursachen und erfordern die Untersuchung von komplexen Anlagen und deren Sicherheitseinrichtungen.

Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV), die in der Regel zur Auslösung gekommen sind und daher teilzerstört vorliegen, werden rekonstruiert und auf ihre Funktionsweise, die Eigenschaften und die Herkunft der verwendeten Teile und Betriebsmittel untersucht.

Bei Verkehrsunfällen ist der Bewegungsablauf der Fahrzeuge, das Schadens- und Verletzungsmuster und vor allem die Plausibilität der Anstoßgeometrie zu verifizieren.

Im Brandversuchsraum können Brände nachgestellt und Inbrandsetzungsstudien betrieben werden, wobei eine messtechnische Überwachung der Temperaturprofile und die Dokumentation der Branddynamik erfolgt. Im Elektrolabor werden Messungen von verschiedensten physikalischen Größen vorgenommen und Geräte sicherheitstechnisch überprüft und fallbezogen getestet.

Fragestellungen mit physikalischer Relevanz aus allen Bereichen werden bearbeitet und technische Vorschriften und Unfallverhütungsvorschriften interpretiert.

Im Analytiklabor des Sachgebietes können alle zur Feststellung der Ursachen von Bränden und Raumexplosionen erforderlichen Labor-Untersuchungen vorgenommen werden. Hier werden Brandschutt, Brandasservate, Flüssigkeiten, Tatmittel und sonstige Spurenträger analytisch-chemisch auf Rückstände leicht brennbarer Stoffe und insbesondere auf Spuren flüssiger Brandbeschleunigungsmittel, wie z. B. Ottokraftstoff oder Heizöl, untersucht.

Der qualitative Nachweis von Brandlegungsmitteln wird routinemäßig mit der Gaschromatographie durchgeführt. Der Nachweis gelingt auch bei geringsten Spuren, die fachkundig am Brandort asserviert werden. Eine sichere Identifizierung relevanter flüchtiger Substanzen wird durch die zusätzliche Ankopplung eines Massenspektrometers ermöglicht. Als ergänzende Untersuchungsmethoden stehen Infrarotspektroskopie und Thermoanalyse zur Verfügung. Ebenso können sicherheitstechnische Kennzahlen, wie z. B. Flammpunkt und Zündtemperatur, bestimmt werden.

Polizeifotos, Bilder von Privatpersonen sowie Aufnahmen aus Überwachungskameras enthalten oft gerichtsverwertbare Details, welche erst später, im Laufe des Verfahrens, eine Bedeutung erlangen. Diese Bilder werden dann einer computergestützten photogrammetrischen Bildauswertung unterzogen, deren Ergebnis, je nach Aufgabenstellung, z. B. die Größe und die Proportionen einer Person, die Vermessung und Entzerrung einer Spur, die Bemaßung eines Gegenstandes oder die Flughöhe einer Sportmaschine sein können.

Die Photogrammetrie wird ebenfalls bei der Bearbeitung von komplexen Tatorten eingesetzt. Dabei wird mit den Aufnahmen einer speziellen Messkamera am Computer eine maßstabsgerechte Skizze erstellt, die Auskunft über Lage und Größe der einzelnen Asservate sowie der gesamten Örtlichkeit gibt. Der entscheidende Vorteil der photogrammetrischen Messverfahren liegt dabei in der Möglichkeit, Tatorte mit Hilfe von Fotos berührungslos auch nachträglich auswerten zu können.


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