„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Mit diesen geheimnisvollen Worten wird „Der kleine Prinz“ in dem gleichnamigen Buch von Antoine de Saint-Exupéry vom Fuchs verabschiedet.
Gleichwohl zumindest der erste Satz nach dem reinen Sprachgehalt natürlich Unsinn ist, lehrt dieser der Hauptfigur auf seiner Reise eine wichtige Lektion: Zuwendung schafft Vertrautheit, die Fremdheit weicht und hebt jeden Einzelnen aus der Masse hervor.
Beim sogenannten „Love Scam“ (auch „Romance Scam“) nutzen Betrüger genau diese menschliche Sehnsucht nach Liebe und Zuneigung ihrer Bekanntschaften aus. Sie täuschen eine Illusion von Liebe oder intimer Beziehung mit falschen Identitäten vor oder nutzen reale Profile, um ihre Opfer zu manipulieren und schließlich finanziell auszunutzen. Gerade in Zeiten der zunehmenden Vereinsamung und sozialen Isolation, insbesondere während der pandemischen Maßnahmen, eine aus Sicht der Täter erfolgsversprechende Masche.
Ob für Flugtickets, eine neue Niere, Zollgebühren oder den Transport einer Geldbox nach Deutschland. Die Masche mit der Liebe funktioniert noch immer.
Über soziale Netzwerke bauen die Täter Kontakt auf, wechseln aber schnell auf E-Mail- oder Messengerdienste. Dass das Gespräch nach einigen Wochen auf Geldzahlungen abzielt, ist anfangs meist gar nicht erkennbar. Durch sehr intime Chats spielen die Täter mit den Gefühlen der Opfer und bauen eine Beziehung auf. Sie täuschen mit Fotos und Videos andere Identitäten vor.
Die Zielgruppe
Die Opfer im Zuständigkeitsbereich der Münchner Polizei sind bislang nahezu ausschließlich weiblich und alleinstehend. Viele von ihnen sind beruflich erfolgreich und gebildet, außerdem - und das ist ganz entscheidend - internetaffin. Denn dort findet überwiegend auch eine erste Kontaktaufnahme der Betrüger statt.
Die Masche
Die Vorgehensweise der Täter ist immer ähnlich. Sie stellen sich (meist) auf digitalen Partnerbörsen oder Datingportalen als einsame Person im Auslandseinsatz dar, sind angeblich beruflich erfolgreich. Sie seien aktuell geschäftlich in humanitärer oder militärischer Mission unterwegs bzw. für ein Mineralölunternehmen auf einer Plattform tätig – leider jedoch ohne feste Beziehung. Mit regelmäßigem Kontakt bauen sie nachhaltig eine emotionale Bindung zu ihrem potentiellen Opfer auf und erscheinen diesem verlässlich. Dann geraten sie plötzlich in eine unvorhergesehene Notlage und benötigen kurzfristig Geld, da ihnen beispielsweise wichtige Dokumente oder finanzielle Werte abhandengekommen sind.
Männliche Täter geben sich meist als Militärangehörige, Mitarbeiter der Mineralölindustrie, Computerspezialisten, Ärzte oder Ingenieure aus. Angeblich befinden sie sich gerade (berufsbedingt) im Ausland oder in Amerika. Sie sprechen regelmäßig fließendes Englisch oder manchmal sogar Deutsch, welches oftmals jedoch aufgrund Ausdrucksweise und Satzbau die Verwendung von Übersetzungsprogrammen vermuten lässt.
Weibliche Täter geben meistens vor, in einem Gesundheitsberuf (z.B. Ärztin, Krankenschwester) oder Pädagogischen Beruf (Lehrerin, Erzieherin) bzw. als Geschäftsfrau tätig zu sein. Sie geben als Nationalität meistens russisch, polnisch oder thailändisch an und sprechen ebenso fließend Englisch oder manchmal auch die deutsche Sprache.
Der Ablauf
Mitunter nehmen sich die Täter viel Zeit und bauen über Monate hinweg eine vertiefte Beziehung zu ihren potenziellen Opfern auf.
Phase 1 | Kontaktaufnahme
Es fängt meist harmlos an. Ein wesentliches Element dieser Betrugsform ist eine erste Kontaktaufnahme der Täter über das Internet. Sie nutzen dazu verschiedene digitale Dating- und Partnerportale sowie soziale oder berufliche Netzwerke und kommen so auch an persönlichste Informationen über das Opfer. Eine kurze Einladung zum Online-Chat ist meist der Einstieg in die Kommunikation. Mit individuell erstellten und jedenfalls interessant wirkenden Profilen, die oft ungewöhnliche Lebensgeschichten oder attraktive Fotos enthalten, wecken die Täter das Interesse ihrer potenziellen Opfer. Trotz der erfundenen Geschichten wirken sie dabei meist absolut seriös und über jeden Zweifel erhaben. Schon während dieser kurzen und intensiven Kennenlernphase erfragen die Täter unauffällig diverse persönliche Informationen zum Familienstand und Vermögensverhältnissen. Geld ist jedoch zunächst kein Thema, stattdessen werden nach teils wochenlangen Liebesschwüren Pläne für eine gemeinsame Zukunft geäußert und weiter Vertrauen aufgebaut.
Phase 2 | Vertrauensaufbau
In der Folge wird der Kontakt weiter intensiviert und mitunter sogar endlose Telefonate geführt, bis der Täter quasi ein fester Bestandteil des täglichen Lebens des späteren Opfers – wenn auch nur digital – wird und eine emotionale Abhängigkeit zum vermeintlichen Partner entsteht. Dazu werden insbesondere lange und zuvorkommende Nachrichten verschickt oder nicht minder einfühlsame Chats geführt. Ziel ist stets, dass beim späteren Opfer von vornherein keinerlei Zweifel an einer Integrität des Kommunikationspartners entstehen und sukzessive eine Vertrauens- bzw. vermeintliche Liebesbeziehung aufgebaut wird. Der Täter präsentiert sich dabei jederzeit als guter Zuhörer und zeigt großes Interesse am Opfer. Weiterhin sind finanzielle Angelegenheiten allenfalls Nebensache.
Phase 3 | Schlechte Nachrichten
Sobald der Täter ein unverzichtbarer Bestandteil im emotionalen Leben des späteren Opfers geworden ist sowie ein Aufeinandertreffen unmittelbar bevorsteht, entstehen erste Schwierigkeiten, die der gemeinsamen Zukunft entgegenstehen könnten. Diese sind stets verbunden mit finanziellen Sorgen des vermeintlich künftigen Partners. Die geschilderten Szenarien / Notlagen sind ganz unterschiedlich, enden jedoch letztlich immer in konkreten Geldforderungen gegenüber dem Opfer. Mal sollen bei einem Überfall bzw. Einbruch sämtliche Wertsachen abhandengekommen oder ein Unfall passiert sein, mal habe der Täter ein wertvolles Geschenk an das Opfer geschickt und unvorhergesehene Kosten entstünden. In einigen Fällen werden dazu auch Geldforderungen von vermeintlichen Rechtsanwälten, Ärzten oder Familienmitgliedern inszeniert. In der Gesprächsführung wird das Opfer dabei derart manipuliert, dass es vermeintlich selbst die Idee hat finanziell auszuhelfen und die angebotene Hilfe zunächst scheinbar nicht bzw. nur widerwillig angenommen wird. Im Gegenzug wird jedoch ein geplanter Besuch oder eine avisierte gemeinsame Reise aus finanziellen Gründen abgesagt.
Phase 4 | Die Lösung
Das Opfer wird schließlich darum gebeten einen Bargeldtransfer zu tätigen. Sollte dies zunächst abgelehnt werden, zeigt sich der Täter äußerst verständnisvoll und bietet manchmal sogar vermeintlich alternative Hilfsmöglichkeiten an. Beispielsweise besondere Bankaktivitäten oder einen Paketversand. Die Geldforderungen orientieren sich stets an den Vermögensverhältnissen des Opfers und können auch aus mehreren „kleineren“ Geldbeträgen bestehen. Alles stets mit dem Ziel einer gemeinsamen Zukunft. Diese Vorgehensweise kann prinzipiell beliebig fortgesetzt werden und dem Opfer die finanzielle Lebensgrundlage komplett entziehen. Hat das Opfer einmal gezahlt, bringt der Täter es meist dazu, erneut und wieder zu zahlen. Sollte das Opfer selbst keine finanziellen Mittel (mehr) aufbringen können, wird es aufgefordert neue Geldquellen (beispielsweise durch eine Kreditaufnahme) zu erschließen. Ist die Geldquelle für den Täter versiegt, wird schlagartig sämtliche Kommunikation zum Opfer abgebrochen. Das Ergebnis: Die Opfer sind meist sowohl finanziell als auch emotional am Ende.
Opferspezifik
Je nach Opfertyp kann der Übergang zwischen den Phasen - insbesondere zwischen dem Vertrauensaufbau und dem konkreten Fordern einer Zahlung – schneller oder langsamer erfolgen. Auch die Forderungssummen der Täter spiegeln sich in der zuvor erfragten Vermögenssituation wider. Den Einblick in die Vermögenssituation der Opfer erreichen die Täter zumeist dadurch, dass sie selbst vorspiegeln, sehr wohlhabend zu sein und derzeit jedoch nicht an ihr Vermögen zu kommen. Durch den zuvor erfolgten Vertrauensaufbau denkt das Opfer, dass der Täter auch höhere, geliehene Geldbeträge ohne Probleme an das Opfer zurückzahlen kann und wird. Obwohl die Opfer keine dummen Menschen sind, hinterfragen sie sich nach der ersten geleisteten Zahlung meist gar nicht mehr, ob sie einem Irrtum aufgesessen sind. Sehr misstrauische Opfer werden durch die Täter meist durch Zahlungen auf das Konto des Opfers gelockt. Diese Zahlungen stammen jedoch nicht von den Täter selbst, sondern wiederum von anderen Opfern, welche Zahlungen vornehmen. So geraten die Geschädigten nicht selten selbst in den Fokus der Ermittlungen wegen Geldwäsche.
Prävention
Love Scam ist für die Täter ein einträgliches Geschäft, denn die Opfer transferieren mehrstellige Vermögensbeträge und bemerken den Betrug meist spät. Das Dunkelfeld ist hoch, denn bei den Opfern folgt auf das böse Erwachen oft Beschämung und der Betrug wird deshalb gar nicht erst zur Anzeige gebracht. Gleichwohl reicht der finanzielle Schaden jährlich in die Millionen.
Hinweise zum Erkennen
Die Strategien der Täter an Vermögenswerte zu gelangen, sind mindestens genauso vielfältig wie deren erfundene Geschichten. Ein gesundes Misstrauen ist deshalb die beste Prävention - insbesondere, wenn sensible Daten oder persönliche Informationen ausgetauscht werden sollen. Für alle Bürgerinnen und Bürger gibt es außerdem Hinweise, wie die Betrugsmasche schnell erkannt werden kann.
Profil
Das Profil existiert erst seit kurzer Zeit und hat sehr wenige Besucher / Abonnenten. Meist sind diese gleichen Geschlechts und aus unterschiedlichen Ländern. Zudem hat der Profilinhaber nie ein einfaches oder langweiliges Leben. Meistens hat dieser sogar entweder gerade eine schwierige Beziehung hinter sich gebracht oder der Partner ist verstorben. Auffällig viele Krankheiten in der Familie oder verstorbene Familienmitglieder sind ebenfalls häufig Bestandteil der Geschichte, denn dadurch erzeugt der Täter Mitleid und Verständnis für seine Situation.
Fotos
Die Täter nutzen meist frei zugängliche Fotos aus dem Internet. Oft handelt es sich dabei um Werbebilder ohne weitere Personen aus einer Produktvermarktung. Auf Nachfrage können die Täter Familienbilder dann meist nicht liefern bzw. scheitert dies vorgeblich an technischen Problemen (z.B. defekte Kamera). Um glaubwürdiger zu wirken, werden teilweise auch Bilder existenter Personen von sozialen Plattformen kopiert. Bei einem entsprechenden Verdacht können diese schnell mit eine Rückwärtsbildersuche oder dem Namen mit zusätzlichem Schlagwort „Scammer“ in einer Suchmaschine im Internet schnell überprüft werden.
Geschwindigkeit
Armors Pfeil fliegt schnell, aber Zeit ist auch Geld. Sollten verfrühte Liebesbekenntnisse verteilt und schon in den ersten Stunden der gemeinsamen Konversation die „unsterbliche“ Liebe geschworen werden, dann sollte unbedingt das Misstrauen geweckt sein. Denn die Täter versuchen die Beziehungen schnellstmöglich voranzutreiben, um an das Vermögen zu gelangen.
Kommunikation
Viele Partnerportale oder Dating-Plattformen haben Meldefunktionen und andere (technische) Vorkehrungen Betrüger zu erkennen und auszuschließen. Dies versuchen die Täter zu umgehen, indem sie die Konversation umgehend auf einen anderen Kommunikationsweg umlenken. Sollte also erstaunlich schnell nach einer Handynummer oder der E-Mail-Adresse gefragt werden, ist ebenfalls Misstrauen angebracht. Außerdem sollte der Nutzer dem Plattformbetreiber gemeldet werden. Das Senden einer Freundschaftsanfrage und die erste Konversation erfüllen noch keinen Straftatbestand.
Ausreden
Das Profil der Täter ist nicht zufällig gewählt, denn sie liefert diesen im Berufskontext zugleich auch glaubwürdige Ausreden. Neben einer wichtigen Besprechung oder Geschäftsreise etc. ergeben sich daraus unendlich viel Ausreden, die einem persönlichen Treffen mit dem (potentiellen) Opfer entgegenstehen.
Grammatik
Viele Profile stellen die Täter als hochgebildet oder intellektuell dar. Auch Auslandsaufenthalte sind demnach keine Seltenheit. Sollte der Kommunikationspartner, trotz seiner angeblichen Weltgewandtheit oder Sprachkenntnisse, durch schlechte Sprachfertigkeiten auffallen, ist das Anlass genug näher nachzufragen. Schreibfehler sind durchaus möglich, aber Informationen über die eigene Herkunftsregion sollten dennoch bekannt sein.
Geldforderungen
„Was kostet mich deine Liebe?“ ist eine Frage im gleichnamigen Lied, auf die es keine Antwort gibt. Kommt jedoch ein Gespräch immer wieder auf finanziellen Forderungen zurück, ist dies ein weiteres Indiz für eine Betrugsabsicht. Ein Täter wird wiederholt nach Geld fragen und bei Ablehnung zunächst auch Verständnis zeigen. Das fängt meist mit unverfänglich kleineren Summen, beispielsweise für eine Fahrzeugreparatur oder Arzneimittel, an und steigert sich mit fortschreitender Zeit. Oft werden diese Bitten mit emotionalen Geschichten über erkrankte Angehörige oder die Rettung eines gerade finanziell angeschlagenen Jungunternehmens begleitet.
Hinweise für Opfer
Sollten man trotz aller Vorsicht bereits Opfer eines solchen Betrugs geworden sein, dann sollten folgende Hinweise und Verhaltensregeln beachtet werden:
Ignorieren: Sofort den Kontakt abbrechen und versuchen, bereits getätigte Vermögenstransaktionen rückgängig zu machen. Keinesfalls auf weitere Kontaktversuche oder sogar Forderungen eingehen! Alle Täterprofile blockieren und gegebenenfalls die Telefonnummer(n) und E-Mail-Adresse wechseln.
Anzeige: Die gesamte Kommunikation (z.B. Fotos, E-Mails und Chat-Verläufe) und Beweise (z.B. Kontoauszüge, Überweisungen) sichern sowie umgehend Anzeige erstatten. Sollte der Kontakt auch auf Dating-Plattformen oder in sozialen Netzwerken stattgefunden haben, muss das Profil dort ebenfalls gemeldet werden.
Hilfe: Unterstützung anzunehmen ist in solchen Situationen ganz normal. In vielen Fällen kann eine professionelle Opferberatung oder Schuldnerberatung neue Perspektiven aufzeigen.
Information: Auch Freunde und Bekannte sollten möglichst informiert werden, da deren Kontaktdaten häufig über soziale Netzwerke verknüpft bzw. dem Täter über eingeschleuste Computerviren ebenfalls bekannt sind.
Hinterfragen: Vertrauenspersonen betrachten eine neue Bekanntschaft aus einem neutralen Blickwinkel. Sie erkennen leichter, wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein. Die neue Bekanntschaft einer vertrauten Person zu erzählen, kann vor schweren finanziellen Schäden bewahren.
Polizeipräsidium München – K 105 (Opferschutz und Prävention)
Das Kommissariat 105 (Opferschutz und Prävention) ist Ansprechpartner für alle Kriminalitätsopfer. Es informiert über den grundsätzlichen Ablauf eines Strafverfahrens und über Opferrechte, erläutert polizeiliche Maßnahmen und Möglichkeiten. Neben Verhaltenshinweisen zur Vorbeugung, werden auch Beratungsstellen und Hilfeeinrichtungen vermittelt. Eine anonyme Beratung ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.
Die Opferberatung ist unter 089/2910-4444 während der nachgenannten Zeiten für alle Kriminalitätsopfer erreichbar.
Montag - Donnerstag: 08.00 - 11.00 Uhr und 13.00 - 15.00 Uhr,
Freitag: 08.00 - 11.00 Uhr