02.09.2020, Polizei Bayern

Viele Jahrzehnte lang war die Polizeiarbeit weitestgehend eine "innere Angelegenheit" des Staates. Grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit mit anderen Staaten blieb die absolute Ausnahme.

Sie konzentrierte sich vor allem auf die Rechtshilfe in Strafsachen. Lediglich bei internationalen Fahndungen nach Personen oder Sachen hatten sich standardisierte Verfahren entwickelt, die hauptsächlich über die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) liefen.

Grenzüberschreitende Polizeikooperation größeren Stils begann erst nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs". Die massive Ausweitung der internationalen Personen-, Waren- und Finanzströme seit 1989 hatte auch Straftäter und kriminelle Netzwerke begünstigt. Infolge der zunehmenden Globalisierung werden die Regeln der internationalen Polizei- und Justizzusammenarbeit im Kontext der Europäischen Union grundlegend fortentwickelt. Andernfalls hätten die Strafverfolgungsbehörden mit den neuen Kriminalitätsphänomenen nicht Schritt halten können.

Der inzwischen erreichte Stand der grenzüberschreitenden Polizeikooperation wird nicht das Ende der Entwicklung sein. Je mehr Globalisierungseffekte entstehen und je stärker die Grenzregionen zu einheitlichen kriminalgeografischen Räumen zusammenwachsen,
desto ausgeprägter werden sich daran auch Strukturen der internationalen Kriminalität anlehnen. Polizei und Justiz sind deshalb auf die nötigen Befugnisse und taktischen Instrumente angewiesen, um schnell und effizient über Staatsgrenzen hinweg zusammenarbeiten zu können.
 

1945/46:
Aufstellung der Bayerischen Grenzpolizei als „Instrument der Abgrenzung“ zu benachbarten Staaten bzw. Besatzungszonen durch die Amerikanische Militärregierung.


1949:
Gründung der Bundesrepublik Deutschland – Die Bayerische Grenzpolizei wird unter zunächst wenig veränderten Vorzeichen weitergeführt.


1954:
Erste – noch erfolglose – Anzeichen für ein Streben der Menschen nach einem „Europa ohne (Binnen-)Grenzen“: Studenten zersägen Schlagbäume an der deutsch-französischen Grenze.


1976:
EG-Staaten rücken näher zusammen – die Grenzen zu den süd- und westeuropäischen Nachbarstaaten öffnen sich „einen Spalt breit“. Mit der sog. „Europaspur“ wird ein vereinfachtes Kontrollverfahren für Staatsangehörige aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften (EG) eingeführt.


1989:
Herbst 1989, Europa im Glück – Der „Eiserne Vorhang“, der Europa über 50 Jahre zweigeteilt hatte, fällt. Auf die neuen Reisewege, aber auch auf neue Kriminalitätsrouten und -phänomene reagiert die bayerische Polizei mit neuen Strategien.


1990:
Die Kontrolle am Schlagbaum erfährt angesichts stark wachsender grenzüberschreitender Verkehrsströme ihre Grenzen. Parallel zur herkömmlichen stationären Grenzkontrolle beginnen bei der bayerischen Polizei erste Überlegungen zur "Schleierfahndung".


1995:
Die Schleierfahndung wird gesetzlich geregelt, das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) ratifiziert. Das SDÜ eröffnet neue Instrumente der grenzüberschreitenden Polizeikooperation, z.B. Nacheile, grenzüberschreitende Observation und polizeilichen Informationsaustausch.


1997:
Das SDÜ wird für Österreich in Kraft gesetzt – die polizeilichen Personenkontrollen an der Staatsgrenze Deutschlands zu Österreich werden Schritt für Schritt abgebaut.


1998:
Die Bayerische Grenzpolizei wird als eigenständiger Verband aufgelöst, gleichzeitig wird die Schleierfahndung in Bayern neu organisiert. Meldungen des Verkehrsfunks wie „Vor dem Grenzübergang Kiefersfelden-Autobahn bei der Ausreise 20 Kilometer Stau“ gehören nunmehr der Vergangenheit an.


1999:
Der „Vertrag über die Europäische Union“ (EUV) in der Fassung von Amsterdam tritt in Kraft: Die EU setzt sich zum Ziel, neben dem einheitlichen Binnenmarkt auch „einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ zu bilden. Text Art. 29 EUV. Das Europäische Polizeiamt EUROPOL nimmt den Betrieb auf.


2000:
Die EU-Staaten ordnen mit dem Europäischen Rechtshilfeübereinkommen die justizielle Rechtshilfe in Strafsachen neu. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Justiz und Polizei wird dadurch entbürokratisiert und erleichtert. Beim Seilbahnunglück von Kaprun, bei dem 155 Menschen ihr Leben verlieren, unterstützen bayerische Polizeibeamte die österreichischen Sicherheitsbehörden. Zum Einsatz kommen ca. zwei Dutzend Verbindungsbeamte sowie mehrere Hubschrauber der bayerischen Polizei.


2001:
Unter dem Eindruck der Terroranschläge von New York rückt die westliche Staatengemeinschaft näher zusammen. Die EU schafft den Europäischen Haftbefehl sowie eine Vielzahl verbesserter Instrumente der grenzüberschreitenden Polizei- und Justizkooperation, namentlich zur Bekämpfung der Geldwäsche, der Finanzierung des internationalen Terrorismus und der Organisierten Kriminalität.


2003:
Deutschland und Österreich unterzeichnen einen für ganz Europa richtungsweisenden Staatsvertrag zur grenzüberschreitenden Polizei- und Justizkooperation. Vereinbart wird u. a., zur Verbrechensbekämpfung standardisiert Fingerabdrücke und DNA-Material auszutauschen und bei Gefahr im Verzug Beweis sichernde Maßnahmen wie Durchsuchungen oder Blutprobenentnahmen ohne vorherige Einschaltung der Justiz unmittelbar von Polizei zu Polizei anzuordnen.


2004/2005:
Mit den Terroranschlägen von Madrid und London erreicht der islamistische Terror Europa.


2005:
Der deutsch-österreichische Staatsvertrag zur Polizei- und Justizkooperation tritt am 1. Dezember in Kraft. Nun wird es möglich, dass Polizeibeamte des einen Vertragsstaates unter bestimmten Umständen auf dem Hoheitsgebiet des anderen Staates tätig werden. Darüber hinaus können sich die Partnerstaaten gegenseitig Kräfte unterstellen. Der Unterstellungsfall tritt erstmals am 6. Januar 2006 ein, als österreichische Dienstkräfte die bayerische Polizei bei der Bewältigung der Folgen des Einsturzes der Eishalle Bad Reichenhall unterstützen.

Deutschland, Frankreich, Spanien und die Benelux-Staaten schließen den Vertrag von Prüm, der wesentliche Teile des deutsch-österreichischen Polizeivertrages übernimmt.
Die Ratifizierung des Europäischen Verfassungsvertrages, der auch neue Grundlagen für die grenzüberschreitende Polizei- und Justizkooperation schaffen würde, gerät dagegen nach ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden ins Stocken.
 


2006:
FIFA-WM 2006: Erstmals werden englische und kroatische Polizeibeamte in Uniform auf bayerischem Staatsgebiet zur Unterstützung der bayerischen Polizei tätig.



Konzeption: KD Konrad Schober, Bayerisches Staatsministerium des Innern

Ein besonderer Dank gilt Frau Kerstin Jönsson von Associated Press und Herrn Stephan Fendt, Aichach, der sich als Privatsammler der Dokumentation der Geschichte der Bayerischen Grenzpolizei verschrieben hat. Beide Personen haben in großem Umfang Bildmaterial zur Verfügung gestellt, ohne das eine so umfassende Illustration der Texte nicht möglich gewesen wäre. Frau Jönsson und Herr Fendt haben dankenswerterweise auf die Vergütung ihrer Urheberrechte verzichtet.

Zu danken ist aber auch allen Angehörigen der Bayerischen Polizei und des Europäischen Polizeiamtes Europol, die sich auf der Suche nach geeignetem Bildmaterial in die Archive ihrer Dienststellen begeben und so eine aussagekräftige Illustrationen ermöglicht haben.